Was ist Klimaneutralität?
Veröffentlicht am 28. Juli 2020
Spätestens seit den Diskussionen rund um die 3. Piste des Wiener Flughafens wissen wir, dass der Begriff „Klimaneutralität“ noch keine allgemeingültige Definition genießt. Vielmehr existiert eine große Anzahl unterschiedlicher Begriffsverwendungen. Die einen sprechen von „Net Zero“, die anderen von „Science-Based-Targets“, wieder andere sprechen von CO2-neutralen Produkten oder klimaneutralen Städten. Oftmals gehen diese Bezeichnungen einher mit fehlenden Informationen zur Berechnungsmethode, Intransparenz in Bezug auf die erfassten Systemgrenzen, sowie einer unzureichenden Zielsetzung für verbindliche Treibhausgasreduktionen. Da verwundert es wenig, dass es den KonsumentInnen zunehmend schwerfällt, klimaneutrale Produkte und Unternehmen in der Praxis transparent beurteilen und vergleichen zu können.
Was also ist Klimaneutralität und wie könnten einheitliche Rahmenbedingungen für die Verwendung des Begriffs aussehen?
Dieser Frage haben wir uns zusammen mit 3 Partnerorganisationen im Rahmen einer CCCA-Arbeitsgruppe (Climate Change Center Austria) gewidmet und nach reiflichen Recherchen und Diskussionen ein Fact Sheet und ein Diskussionpapier publiziert.
Demnach liegt die Grundidee von Klimaneutralität darin, klimaschädliche Aktivitäten einerseits zu quantifizieren (mittels Treibhausgasbilanzierung) und andererseits zu „neutralisieren“. Dies kann in erster Linie durch direktes Vermeiden und Reduzieren von Treibhausgasen sowie indirekt durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten (Kompensation) für Emissionsmengen erfolgen, die nicht weiter reduzierbar oder vermeidbar sind. Um sich „klimaneutral“ nennen zu können, müssen aus unserer Sicht gewisse Qualitätskriterien erfüllt sein:
Die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen
Als Grundstein eines jeden Klimaschutzvorhabens wird eine umfassende Treibhausgasbilanz erachtet. Diese sollte nach den gängigen Standards (GHG Protokoll, ISO 14064-1:2018, oder ISO 14067:2018) erstellt sein und alle relevanten Emissionen enthalten. Besonders den Emissionen in den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten (so genannte Scope 3 Emissionen; wie etwa Dienstreisen, Materialbeschaffung, Logistik, angelegtes Finanzkapital etc.) kommt eine übergeordnete Rolle zu, da hier häufig die größten Hebel in der Reduktion liegen.
Die Vermeidung bzw. Reduktion dieser Emissionen
Frei nach dem Motto „Vermeiden-Reduzieren-Kompensieren“ ist es wichtig, zuerst alle Möglichkeiten der CO2-Vermeidung und Reduktion auszuschöpfen, bevor Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden. Die aktive Einsparung von Emissionen verlangt nachweisbare und verbindliche Reduktionsziele, die sich am 1.5° Ziel orientieren (Stichwort: Science-Based), sowie konkrete und transparente Maßnahmen, wie diese erreicht werden können.
Die freiwillige Kompensation der Rest-Emissionen durch Klimaschutzprojekte
Im Hinblick auf die Neutralisierung der Treibhausgase werden nur solche Klimaschutzprojekte empfohlen, die durch anerkannte Standards zertifiziert wurden (z.B. Gold Standard oder BOKU-Klimaschutzprojekte) und einen nachweisbaren nachhaltigen Nutzen vor Ort erzielen. Die Kriterien der Zusätzlichkeit (d.h. Projekte würden ohne Kompensationsprozesse nicht ohnehin realisiert werden) und das Kriterium der Doppelzählung müssen eine relevante Basis solcher Standards sein. Eine „Klimaneutralstellung“ durch Kompensation alleine ist dabei genauso unzulänglich, wie das direkte Anrechnen von CO2-Zertifikaten auf die Treibhausgasbilanz. Eine rechnerische 0 direkt in der Bilanz ist daher nicht zulässig – die Kompensation muss nach den gängigen ISO-Standards in der Außendarstellung gesondert kommuniziert und der Prozess transparent beschrieben werden.
Transparente Verwendung und Kennzeichnung anhand gängiger Standards
Einen weiteren wesentlichen Beitrag zu mehr Verbrauchertransparenz kann die Einführung eines einheitlichen „Labels zu Klimaneutralität“ leisten, welches auf international anerkannten Standards beruht. Derzeit wird an einem solchen globalen Standard zu „Carbon Neutrality“ (Accounting & Offsetting) auf ISO Ebene gearbeitet, womit in Folge hoffentlich dem Wildwuchs bestehender Private-Label-Initiativen begegnet und übergeordnet objektiv-überprüfbare Qualitätskriterien eingeführt werden können. Eine Fertigstellung wird Mitte 2024 erwartet.
Wir handeln und beraten Sie im Einklang mit diesen Qualitätskriterien
Natürlich fühlen uns auch wir als Kompetenzstelle für Klimaneutralität den oben genannten Qualitätskriterien verpflichtet. In diesem Sinne beraten und unterstützen wir Sie gerne bei der Erstellung eines stringenten Monitorings, bei der Entwicklung bedarfsgerechter Reduktionsstrategien sowie bei der Kompensation von Restemissionen. Was wir hingegen nicht unterstützen ist die grüne Vermarktung klimaschädlicher Produkte. Denn es ist nicht im Sinne einer verantwortungsvollen Kommunikation, Produkte wie etwa fossile Energieträger, Wegwerf- oder Luxusgüter als klimaneutral darzustellen.